40 Jahre Mitgliedschaft beim VDI – Mein Rückblick
Anlässlich meiner Ehrung zur 40-jährigen Mitgliedschaft im VDI möchte ich meine Motivation zu dieser Mitgliedschaft und meine Sicht auf meinen Beruf – oder besser gesagt, auf meine Berufung – zum Ausdruck bringen.
1984, gerade ein Jahr nach Beginn meines Studiums der Versorgungstechnik, war ich von dem Wunsch getrieben, einen Beitrag für mehr Energieeffizienz und den Einsatz von regenerativer Energie zu leisten. Hier war mir schnell klar, dass der Austausch mit anderen Ingenieuren hierbei hilfreich ist. Folgerichtig wurde ich dann Mitglied des VDI.
Ich bin Ingenieur mit Leib und Seele. Die Möglichkeit, kreativ an der Gestaltung und Weiterentwicklung von Technik mitzuwirken, empfinde ich als äußerst befriedigend – zumindest für eine Technik, die dazu beiträgt, unser Leben sinnvoll und erfüllend zu gestalten. Dazu gehört auch, sich kritisch mit dem eigenen Berufsbild auseinanderzusetzen. Es ist wichtig, sich mit Kollegen konstruktiv und auch kontrovers auseinanderzusetzen. Der Verein Deutscher Ingenieure bietet hierfür eine hervorragende Plattform.
Leider muss ich nach 40 Jahren Mitgliedschaft feststellen, dass das Berufsbild des Ingenieurs in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr die Bedeutung hat, die es einmal hatte. Gerade in Zeiten des drohenden Klimawandels sind es jedoch die ingenieurwissenschaftlichen Berufe, die unsere Zukunft und unseren Wohlstand sichern sollen. Das Problem dabei ist, dass Technik alleine die Probleme nicht lösen kann. Vielmehr ist es notwendig, dass wir mit fortschreitender Technik auch gesellschaftliche Anpassungen vornehmen. Der Glaube, es brauche nur Technik, damit wir so weitermachen können wie bisher, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Spirale von technischem Fortschritt und Wachstum einerseits und Schadensbegrenzung durch Technikfolgen und Ressourcenverbrauch andererseits kann letztlich nicht gewonnen werden.
In der Politik und der öffentlichen Wahrnehmung werden Ingenieure oft als nützliche Spezialisten angesehen, die benötigt werden, um neue Produkte zu schaffen und Umsatz zu erzielen. Dabei geht es häufig mehr um Quantität als um Qualität. Wenn Hersteller, beispielsweise von Wärmepumpen, sich innovativen Lösungen versperren und die Umsetzung ingenieurtechnisch geplanter Anlagen verhindern, indem sie nicht die benötigten technischen Unterlagen bereitstellen oder die vom Markt geforderten Produkte nicht anbieten, weil es nur noch darum geht, die Masse zu bedienen, ist dies eine bedenkliche und gefährliche Entwicklung.
Die fehlende Anerkennung der Ingenieurberufe trägt in einigen Bereichen dazu bei, dass sich immer weniger Menschen für diesen Bereich interessieren. Schon heute ist der Fachkräftemangel, insbesondere auch in ingenieurtechnischen Berufen, gravierend. Doch gerade die standardisierten Lösungen, die “wir schon immer so gemacht haben”, tragen nicht dazu bei, dass sich grundlegend etwas ändern kann. So machen wir Dinge vielleicht ein bisschen weniger falsch, anstatt sie richtig zu machen. Für meinen Bereich bedeutet das beispielsweise, dass wir Heizungsanlagen immer noch planen wie vor 200 Jahren. Im Zeitalter regenerativer Energien ist es jedoch erforderlich, bei der Planung von Wärmeerzeugungsanlagen von völlig anderen Prämissen auszugehen als denen einer offenen Flamme auf hohem Temperaturniveau.
Insofern plädiere ich dafür, dass wir uns als Ingenieure viel stärker auch in gesellschaftliche und strukturelle Fragen einbringen. Im Gegenzug wäre es wünschenswert, wenn die Politik den Ausspruch von Greta Thunberg “Wir müssen mehr auf die Wissenschaft hören” tatsächlich auch leben würde. Wichtig hierbei ist jedoch, dass die Ingenieurwissenschaften, wie alle anderen Wissenschaften, frei sind und die Politik nicht nur auf die Wissenschaft hört, die sie durch entsprechende Fragestellungen instrumentalisiert. Konkret bedeutet dies für mich beispielsweise, die Energiewende nicht als Prozess der Verdrängung fossiler Energien durch eine elektrische Monokultur zu sehen, sondern eine Sektorenkopplung unter Berücksichtigung der jeweiligen Wertigkeit unterschiedlicher Energieträger insgesamt zu optimieren. Die Hoffnung, über eine Elektrifizierung unserer Wärmeversorgung innerhalb kürzester Zeit die gesamte Energieversorgung auf regenerative Energien umzustellen, ist eine Wette auf die Zukunft, die schwer zu gewinnen sein wird. Wir haben keine Erfahrung mit einer menschengemachten Klimakatastrophe und können daher auch nicht auf Erfahrungen zurückgreifen. Deshalb sind wir darauf angewiesen, viele Wege zu probieren und den Wettbewerb darüber entscheiden zu lassen, welche die praktikabelsten und sinnvollsten Lösungswege sind. Die Politik hat die Aufgabe, hier wettbewerbsverzerrende Faktoren zu korrigieren und auf die Intelligenz und Kreativität der Menschen zu vertrauen. Dazu bedarf es einer Vielzahl von Ingenieuren, die motiviert und engagiert sich diesen Herausforderungen stellen.
Wir sind als Spezies Mensch gerade deshalb erfolgreich, weil wir soziale Wesen und in der Lage sind zu kooperieren. Nur wenn es uns gelingt, dies auch zu leben und uns nicht aus Langeweile und Bequemlichkeit in konsumierende Freizeit- und Lifestyle-Junkies zu entwickeln, haben wir langfristig eine Chance.
Allen Menschen, die dazu beitragen, uns gemeinsam eine lebenswerte Zukunft zu erhalten, sollte die entsprechende Wertschätzung entgegengebracht werden – nicht nur Ingenieuren.